1001 Nacht: Scheherezade Erzählt Geschichten Aus Der Wissenschaft

1001 Nacht: Scheherezade Erzählt Geschichten Aus Der Wissenschaft
by Philippe Boulanger / / / PDF


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Märchen aus tausendundeiner Nacht: Die Geschichten, die sich die arabische Prinzessin Scheherazade Nacht für Nacht ausdenken mußte, um ihren Gemahl, den König Schehrijar zu besänftigen, haben mittlerweile ihren festen Platz im kollektiven Bücherregal der Menschen eingenommen; sie dürften mehr Autoren inspiriert haben, als 1001 Nächte Stunden haben. Mit Philippe Boulanger meldet sich ein weiterer zu Wort, und sein Buch 1001 Nacht. Scheherazade erzählt Geschichten aus der Wissenschaft ist eines der ungewöhnlicheren Sorte. Ungewöhnlich insofern, als Boulanger versucht, seinen Zuhörern mit Storys aus Scheherazades Welt grundlegende wissenschaftliche Experimente, Hypothesen und Denkgebäude nahezubringen – mit Hilfe von Dschinns, fliegenden Teppichen und klugen Wesiren, praktisch im Vorüberlesen und auf nicht mehr als drei bis fünf Seiten. Zum gelungenen Orient-Flair tragen nicht zuletzt auch die ansehnlichen Illustrationen des begabten Zeichners Bruno Vacero bei. Boulangers märchenhaften Helden begegnen in den 51 Geschichten des Buchs nicht nur Phänomene aus der Astrophysik nebst logischen Paradoxa, sondern auch Erkenntnisse aus Spiel- und Knotentheorie, sie machen sich ihren Reim auf die Evolution und das Aussterben der Dinosaurier. Was selten ist für (Wissenschafts-)Journalisten, die ins Fabulieren kommen: Boulanger – Direktor des französischen Pendants von Spektrum der Wissenschaft – liefert hier einen wunderbar ironischen Text ab, der schön zu lesen ist und Spaß macht, weil der Autor sich absolut keine Fesseln anlegt. Während anderswo lange überlegt wird, wie zum Teufel man etwa eine Reise in die Nähe eines schwarzen Lochs halbwegs plausibel beschreibt, um so etwas wie rückwärtsgehende Uhren begreiflich zu machen, bemüht Boulanger einfach einen Lampengeist, der sich mit einem Helden auf einen fliegenden Teppich – natürlich super getunt und mit allen Extras – setzt und zum nächsten kollabierten Stern reist, wo man sich mit rückwärts lebenden "Nedmerfs" zweckmäßigerweise in Palindromen verständigt. Zeitreisen gibt's per Fingerschnippen. Sehr viel Spaß macht die sehr lebendige Weise, in der Boulanger im Getümmel des Hofstaats von Harun al Raschid mit wenigen pointierten Strichen das Räderwerk des heutigen Wissenschaftsbetriebs mit all den kleinen Eitelkeiten seiner Protagonisten zeichnet – vor allem durch viele kurze Bemerkungen am Rande, hinter denen man den Autor seinen Lesern förmlich zuzwinkern sieht. Jedoch muß die Frage erlaubt sein: Kann man aus 1001 Nacht etwas lernen? Kommt drauf an – die Episoden sind reichlich kurz und die Erklärungen, die Scheherazade zu jeder "Lektion" nachliefert, oftmals viel zu stark verdichtet und auf das Allernötigste beschränkt. Das Buch ist kein Sachbuch im eigentlichen Sinne; seine Kapitel sind offenbar eher als schillernde Exponate eines wissenschaftlichen Raritätenkabinetts gedacht. Das aber ist gelungen. Daher bleiben die "neuen" 1001 Nächte eine absolut empfehlenswerte Nachttischlektüre für alle, die sich nach Feierabend auf sehr intelligente Weise unterhalten lassen wollen. Vielleicht wird das Buch – zum Beispiel als Einstimmung auf eine Unterrichtseinheit – auch manchen Mathe- oder Physikkurs auflockern. Zu wünschen wäre es ihm – und den Schülern auch. –Stefan Albus

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