Joseph Goebbels. Tagebücher 1924 - 1945

Joseph Goebbels. Tagebücher 1924 - 1945
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Eigenartige Lektüre. Der Massenmörder als Tagebuchschreiber klingt zunächst einmal genauso wie Autoren solcher Aufzeichnungen meistens klingen: egozentrisch, eitel, unsicher, voller Selbstmitleid. Auch die überbordende Sentimentalität findet sich nicht bloß bei Hitlers Propagandaminister. Auffällig allerdings ist der Judenhass, der aus dem Nichts zu kommen scheint, für den auch die Tagebücher keine Begründung liefern. Man begreift nicht, wie der junge Mann wurde, was er um 1920 bereits ist. Damals studiert er noch, in Bonn, in Freiburg, München, Heidelberg. Wenig erfährt man über das Studium, stattdessen viel über Frauengeschichten. Kein überragender Student, die Dissertation erhält knapp das Prädikat "rite" ("bestanden"). Durchgängig ist auf den mehr als 2.000 Seiten die völlige Phrasenhaftigkeit der Sprache. Der Mann formuliert Phrasen, weil er auch in Phrasen denkt. Für den Dichter, der er ja zunächst gern gewesen wäre, ist das tödlich; für den Demagogen, der er dann wird, ist das ein Glück. Goebbels glaubt zwar längst nicht immer, was er sagt, aber er denkt nicht anders, als er redet. Dann ist da noch die Beziehung zum "Chef", wie er Hitler nennt. Adolf privat: Blumen schenkend, scherzend, Kinder tätschelnd, sich besorgt erkundigend, plaudernd. Goebbels, früh von einem nationalen Erlöser träumend, 1926: "Er ist ein Mann, nehmt alles nur in allem, so ein Brausekopf kann mein Führer sein, ich beuge mich dem größeren, dem politischen Genie!" Goebbels ist der Vernichter der Berliner Juden. Nicht allein, aber als eine treibende Kraft. Gemeinsam mit Göring, mit dem ihn sonst nur eine tiefsitzende Abneigung verband, hier versteht man sich. Die Pogrome vom November 1938 sind weitgehend ihr Werk, auch die Ideen für die anschließenden Gesetze zur Ausschaltung der Bevölkerungsgruppe aus dem normalen Leben (sogar das Betreten des deutschen Waldes sollte Juden verboten werden) stammen aus diesen Köpfen. Niemand wird die fünf Bände von vorn bis hinten durchlesen, sie bilden eher ein Nachschlagewerk für Studierende, denn die vom Münchner Institut für Zeitgeschichte veranstaltete Gesamtausgabe in ihrem Gigantismus dürfte Bibliotheken vorbehalten bleiben. Ein Tip für Studis: Gleich zu Beginn des Seminars melden und das Referat zur Überlieferungsgeschichte der Goebbelsschen Diarien übernehmen! In Band 1 der vorliegenden Edition findet sich alles Wissenswerte dazu auf weniger als 20 Seiten zusammengestellt. Mit wenig Arbeit werden Sie damit Furore machen, denn in der Story kommt alles vor, was für Kurzweil und Unterhaltung sorgt: die Amis, die Russen, der Spiegel, der Stern, die Stasi und als Zugabe ein blamierter Professor der FU Berlin. Viel Erfolg! –Michael Winteroll

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